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BERLIN/ Konzerthaus: LE NOZZE DI FIGARO zur Spielzeiteröffnung

22.08.2013

Spielzeiteröffnung im Konzerthaus Berlin – „Le nozze di Figaro“ am 22.08.2013

Von: Tom Karl Soller

Endlich beginnt die neue Spielzeit. Zwar konnte man die Sommerferien mit einigen Radio- und Fernsehübertragungen aus Bayreuth und Salzburg überbrücken, doch geht nichts über das persönlich und damit unverzerrt erlebte Konzerterlebnis. Der gestrige Abend bot ein solches von ganz besonderer Art – „Le nozze di Figaro“ unter der musikalischen Leitung von Iván Fischer in einer halbszenischen Produktion.

Das Konzerthausorchester Berlin erklang spielfreudig und in vollendeter Leichtigkeit, die komischen Elemente der Oper unterstreichend, ohne jedoch den getragenen Passagen, wie etwa dem „Porgi, amor, qualche ristoro“ oder dem „E Susanna non vien! [..] Dove sono“ der Gräfin, den nötigen Raum zu verwehren. Dabei dirigierte Iván Fischer nicht nur, er agierte wie eine Art musikalischer Erzähler, der trotz der Individualität der Figuren den erzählerischen und musikalischen Rahmen schuf und immer wieder die Handlungsfäden aufnahm. Alles – szenisch wie musikalisch – schien irgendwie aus ihm hervorzugehen. Sitzend, stehend, den Figuren zunickend formte er das Orchester und das Sängerensemble zu einem Ganzen. Er erlebte seine Figuren, die er mit Blicken, Bewegungen und seinem Mitsingen immer wieder interagierend antippte. Ein besonders intimer Moment brachte die Verwirrung der Susanna im dritten Akt, ob der einstigen Nebenbuhlerin und nunmehr neugewonnenen Schwiegermutter. Fragend blickte sie zum Dirigenten, ob dies denn sein könne. Iván Fischer signalisierte ihr lächelnd und nickend – „Mädchen mach weiter, es ist alles richtig“.

Die szenische Umsetzung, ebenfalls unter der Leitung von Iván Fischer sowie unter Mitarbeit von Sándor Kathi (Bühne), Andrew Hill (Licht) und Györgyi Szakács (Kostüme) unterstrich den Aspekt der Leichtigkeit. Ein großes erhöhtes, hölzernes Rondell schuf Räumlichkeit. Zwei auf diesem Podest stehende Kleiderstangen mit Kostümen dienten situationsentsprechend etwa als Fenster für die Flucht des Cherubino im zweiten Akt oder aber als Versteck. Fünf große von der Decke hängende Figurinen mit Kostümen der Hauptprotagonisten stellten einen (pseudo-)historischen Bezug zu den sonst in schwarz-weiß gehaltenen, so wunderbar eleganten Abendroben der Sänger her. Die Figurinen wurden in den jeweiligen Situationen durch Herunterfahren in das Spiel einbezogen. So etwa in der Gartenszene, wenn Susanna und die Gräfin zur Verwirrung ihrer Geliebten in die Rolle der jeweils anderen Person schlüpfen müssen. Diese Umsetzung verlieh dem Abend zusätzliche Intimität.

Der szenische und orchestrale Glanz setzte sich auch im großartigen, sehr harmonierend zusammengestellten Sängerensemble fort. Hanno Müller-Brachmanns agiler Bariton verströmte als Figaro lebendige Wärme, Witz und Charme. Bereits mit der ersten Kavatine „Se vuol ballare“ machte er deutlich, dass sein Figaro sich als eine dem Grafen ebenbürtige, in keinem Fall unterlegene Person ansieht. Entsprechend setzte Hanno Müller-Brachmann auf einen von Natürlichkeit geprägten Vortrag, wohltuend lässt er jedes karikierende Moment beiseite.

Als Idealbesetzung der Susanna kann Laura Tatulescu gelten. Ihre vokale Darstellung verlieh der Susanna die Leidenschaft und das Quäntchen Eifersucht einer jungen aufrichtig liebenden Frau, ohne dabei die bei Mozart erforderliche vokale Contenance zu verlieren. Rezitativ, Arie und Ensembleszenen gelangen ihr gleichermaßen. Darstellerisch zeigte sie eine kesse, lebendige aber nie übertrieben agierende Susanna. Als besonders charmant umgesetzt empfand ich das schwesterliche, ebenso leicht mütterliche Verhältnis zu Cherubino. Schulterklopfend, Mut zusprechend aber auch anschiebend bestärkte Susanna ihn in jeder Situation.

Dies kongenial ergänzend gab Miah Persson als Gräfin ein jugendliches, ihrem Stand entsprechend zunächst durch Zurückhaltung geprägtes Rollenportrait. Gerade in den Duettszenen mit Susanna sowie durch das ständige Funkeln Ihrer Augen ließ sie die Brücken zur „Rossini-Rosina“ – und damit zu Ihrer Jugend – nie abbrechen. In vokaler Hinsicht gelang es ihr ganz besonders während dem „Dove sono“ die Zeit einfach stehend zu lassen. Wie ein warmer Sommerregen legte sich ihr Sopran auf die Haut des Zuhörers, um in einem kurzen Moment der inneren Sehnsucht, des Begehrens nach Zuneigung des eigenen Gatten zu verharren. Gleichwohl blieb ihr Vortrag stets natürlich und fand sofort wieder in die Leichtigkeit und das Augenzwinkernde der Musik zurück.

Roman Trekels Bass-Bariton vertrug sich mit der – bekannter Maßen problematischen – Akustik des Hauses leider nicht optimal. Erst in der Abschlussszene konnte ich ihn mit dem “Contessa, perdono” in der gewohnt überragenden Form vernehmen. Der ungeteilte Schlussapplaus zeigte jedoch, dass dieser Eindruck wohl eher aufgrund meines seitlich neben der Bühne gelegenen Platzes entstanden war. Darstellerisch sitzt im die Figur des Grafen wie maßgeschneidert. Sein aristokratisches Auftreten und die Gabe, Emotionen, beispielswiese den Ärger über den vermeintlichen Filou Cherubino ob dessen ständiger Anwesenheit, ohne großes Getue zu transportieren, macht ihn zu einem wunderbaren Grafen. Ich habe selten einen so beherrscht unbeherrschten Grafen erleben dürfen.

Rachel Frenkels Cherubino ließ ob ihrer vokalen Herzenswärme und ihrer Jugendlichkeit keine Wünsche offen. Ihr gelang mit ihrer Darstellung eine vortreffliche Gestaltung eines noch nicht ganz erwachsenen Kindes bzw. eines noch bübischen Erwachsens.

Das Sängerensemble wurde durch Ann Murray (Marcellina), der Rodolphe Briand (Basilio, Don Curzio), Andrew Shore (Bartolo), Matteo Peirone (Antonio) und Norma Nahoun als strahlend schönklingende Barbarina in wunderbarer Weise ergänzt. Besonders unterstreichen möchte ich den Auftritt der legendären Ann Murray. Es ist faszinierend mit welcher Spiel- und Sangesfreude eine Sängerpersönlichkeit, wie die ihre, die sich zudem bereits im Herbst ihrer Karriere befindet, nunmehr in den kleineren Rollen eine Erfüllung findet und stets im Sinne des Ganzen musikalisch wie darstellerisch agierten kann.

Das an diesem Abend ausverkaufte Haus goutierte alle Beteiligten daher zu Recht mit lang anhaltendem Applaus und tosendem Jubel.

Quelle: www.der-neue-merker.eu


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