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BREGENZ: DER KAUFMANN VON VENEDIG von André Tchaikowsky

28.07.2013

Uraufführung bei den Bregenzer Festspielen: „Der Kaufmann von Venedig“ von André Tchaikowsky (Vorstellung: 28. 7.2013)

Von: Udo Pacolt

Wie schon in den letzten Jahren brachten die Bregenzer Festspiele auch heuer wieder im Festspielhaus die Uraufführung einer Oper. Die Wahl fiel auf „Der Kaufmann von Venedig“ von André Tchaikowsky (1935 – 1982).

Der polnische Komponist wurde am 1. November 1935 in Warschau unter dem Namen Robert Andrzej Krauthammer geboren und wuchs mit seiner Mutter und Großmutter im Warschauer Ghetto auf. Um sein Überleben zu sichern, nahm er 1942 den Namen Andrzej Jan Czajkowski an. Später begann er seinen Nachnamen zu hassen, da er ihn für ein zu großes Hindernis hielt, sich als Komponist einen Namen zu machen. Zu sehr fühlte er sich von seinem russischen Fast-Namensvetter überschattet. Nach dem Krieg zog seine Großmutter mit ihm nach Łódž, damit er dort am staatlichen Konservatorium Klavier studieren konnte. Nach weiteren Studien in Paris und Warschau und Tourneen als Pianist (etwa 500 Konzerte auf der ganzen Welt zwischen 1957 und 1960) ließ er sich in der Nähe von Oxford nieder, wo er im Juni 1982 im Alter von nicht einmal 47 Jahren starb.

Wie dem umfangreichen Programmbuch der Bregenzer Festspiele zu entnehmen ist, war das Werk mit Ausnahme der letzten 28 Takte der Orchestrierung bei seinem Tod vollendet. „Es wurde mit Hilfe der von seinen Freunden und Nachlassverwaltern gegründeten Stiftung vervollständigt und sowohl als vollständige Partitur wie auch als Klavierauszug veröffentlicht.“ Die Bregenzer Festspiele erfüllten nun Tchaikowskys letzten Wusch, dass seine einzige Oper aufgeführt werden möge.

Die etwa dreistündige Oper in drei Akten und einem Epilog, deren Libretto John O’Brien nach dem gleichnamigen Theaterstück von William Shakespeare verfasste, wurde in Bregenz (in Koproduktion mit dem Teatr Wielki, Warschau) in einer packenden, stimmungsvollen Inszenierung von Keith Warner in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln aufgeführt. Die Arbeit des britischen Regisseurs zeichnete sich durch eine exzellente Personenführung (Bewegungsregie: Michael Barry) aus, wobei die Gerichtsszene, in der Shylock auf seinen Vertrag besteht, dass ihm ein Pfund von Antonios Fleisch zustehe, die stärkste Wirkung erzeugte. Für Bühne und Kostüme zeichnete Ashley Martin Davis verantwortlich, der ein sehr praktikables und ästhetisches Bühnenbild schuf, das mit wenigen Handgriffen für die nächste Szene verschiebbar war. Die Kostüme wirkten zeitgemäß. Die Lichtregie, die für einige Effekte sorgte, oblag Davy Cunningham.

Aus dem erstklassigen und gut ausgewogenen Sängerensemble ragte Adrian Eröd heraus, der mit markanter Baritonstimme und ausdrucksstarkem Spiel die Rolle des Shylock verkörperte. Eine Idealbesetzung! Eindrucksvoll auch der Countertenor Christopher Ainsley in der Titelrolle, wobei er gleichfalls in der Gerichtsszene seinen stärksten Auftritt hatte. Antonios Freund Bassano wurde vom Tenor Charles Workman mit ausdrucksstarker Mimik gespielt. Dem Dogen von Venedig lieh der bühnenwirksame Richard Angas seine kraftvolle, dunkel gefärbte Bassstimme.

Gut besetzt waren auch die Frauenpartien: die polnische Sopranistin Magdalena Anna Hofmann – Wiener Opernbesuchern aus vielen Vorstellungen der Kammeroper und Neuen Oper Wien bekannt – spielte und sang exzellent die Rolle der reichen Erbin Portia, die auf Geheiß ihres verstorbenen Vaters nur jenen Mann heiraten darf, der aus drei Gefäßen (aus Gold, Silber und Blei) jenes auswählt, das ihr Porträt enthält. Ihre Begleiterin Nerissa wurde von der Linzer Mezzosopranistin Verena Gunz als liebevolle Freundin gespielt. Shylocks aufbegehrende Tochter Jessica wurde von der amerikanischen Sopranistin Kathryn Lewek mit jugendlichem Charme dargestellt.

Die durchwegs gute Ensembleleistung bestätigten in kleineren Rollen auch der Tenor Jason Bridges als Jessicas Liebhaber Lorenzo sowie die Baritone Adrian Clarke als Salerio, Norman D. Patzke als Solanio und David Stout als Gratiano. Für einen artistischen Auftritt sorgte der Tänzer Elliot Lebogang Mohlamme als Prinz von Marokko in der Szene auf dem Landsitz Belmont, die auch mit einem attraktiven Bühnenbild – einem labyrinthischen Irrgarten, der vom Publikum durch einen Spiegel aus der Vogelperspektive eingesehen werden konnte – aufwartete. Der Prager Philharmonische Chor (Leitung: Lukáš Vasilek) stellte stimmkräftig das Venezianische Volk dar.

Die teils expressive, teils das Geschehen auf der Bühne einfühlsam illustrierende Partitur des Komponisten wurde von den Wiener Symphonikern unter der umsichtigen Leitung des jungen Dirigenten Erik Nielsen mit Bravour dargebracht.

 Das vom Werk und der Aufführung begeisterte Publikum zollte am Schluss allen Mitwirkenden nicht enden wollenden Beifall, wobei für Adrian Eröd einige Bravo-Rufe und für das Orchester und seinen Dirigenten viele Bravi-Rufe zu hören waren.

Quelle:www.der-neue-merker.eu


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