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DRESDEN/ Semperoper: SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT CHRISTIAN THIELEMANN UND THOMAS HAMPSON

31.08.2013

Dresden / Semperoper: 1. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT CHRISTIAN THIELEMANN UND THOMAS HAMPSON – 1., 8. u. 9.9.2013

„Wer die Zukunft bauen will, muss die Vergangenheit bewältigen“ betonte Hanns Eisler, dessen „Ernste Gesänge“ aus Anlass des 50. Jahrestages der Dresdner Uraufführung (6.9.1963), fast auf den Tag genau, zwar nicht im gleichen Haus (damals Großes Haus der Staatstheater, da die Oper noch kein eigenes Domizil hatte), aber vom gleichen Orchester, zum Auftakt der neuen Konzertsaison auf dem Programm des 1. Symphoniekonzertes standen. Bei der Uraufführung leitete der damalige Generalmusikdirektor Otmar Suitner die „Staatskapelle Dresden“. Solist war Günter Leib, Händel-, Mozart- und Wagner-Spezialist (er sang u. a. in Bayreuth, wo seine Interpretation Wieland Wagners Vorstellungen genau trafen). Jetzt war es für Christian Thielemann und Thomas Hampson eine Premiere, denn beide hatten Eislers letztes, von der Erinnerung, aber auch (nicht erfüllter) Hoffnung auf künftiges Glück geprägtes, Werk vorher noch nie aufgeführt.

In Leipzig geboren, in Wien aufgewachsen, nach 15 Jahren Exil (u. a. in den USA) in die damalige DDR übersiedelt, wurde Eisler zunächst hofiert, durfte die (ostdeutsche) Nationalhymne komponieren und erhielt dafür den Nationalpreis, wurde aber trotzdem nicht ganz glücklich, denn trotz seiner sozialistischen Grundhaltung übte er Kritik und war deshalb entsprechenden Reglementierungen ausgesetzt.

„Weil diese Gesänge so traurig sind“, soll der Inhalt nach Eisler nicht vom Interpreten mit Gefühl „erdrückt“ werden, sondern Raum lassen, damit der Hörer nicht nur die Trauer mitempfindet, sondern „reflektiert“, forderte Eisler, formulierte dann aber im Vorwort der Noten lakonisch: „Der Sänger möge sich bemühen, durchweg freundlich, höflich und leicht zu singen. Es kommt nicht auf sein Innenleben an, sondern er möge sich bemühen, den Hörern die Inhalte eher zu referieren als auszudrücken“ – was für einen gestandenen Sänger nicht leicht sein dürfte – und weiter: “Dabei muss künstliche Kälte, falsche Objektivität, Ausdruckslosigkeit vermieden werden, denn auf den Sänger kommt es schließlich an“. Das dürfte eine kaum vorstellbare Balance zwischen all diesen Forderungen für den Sänger (der es anders gewohnt ist) bedeuten, um diese „trockene“ Musik ohne jede Kantilene oder ansprechende Melodieführung dem Publikum näherzubringen.

Hampson war bestrebt, mit seiner Interpretation allen diesen, auch widersprüchlich erscheinenden, Forderungen gerecht zu werden und die Lieder der „Besinnung – Überlegung – Depression – Aufschwung und wieder Besinnung“ nach sehr unterschiedlichen Liedtexten 5 verschiedener Autoren, darunter Teile aus den Hölderlin-Fragmenten, gerecht zu werden. Mit seiner Stimme und seiner Interpretation konnte Hampson die Lieder nur veredeln. Als Zugabe für den herzlichen Beifall wählten Thielemann und er den „XX. Parteitag“, den es nie gegeben hat, der eher einen ironischen resignierenden Ausblick auf eine vage Zukunft bedeutet.

Danach war Thielemann mit Anton Bruckners „Symphonie Nr. 5 B-Dur“ ganz in seinem Element. Wie Eislers „Ernste Gesänge“ ist auch Bruckners „Fünfte“, die er „als sein „kontrapunktisches Meisterstück“ bezeichnete, eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Beide Werke weisen außerdem noch eine weitere Gemeinsamkeit auf. Es war beiden Komponisten nicht vergönnt, die Uraufführung ihres Werkes noch zu erleben.

Bereits die leise anklingende und sich langsam wie aus sphärischen Dimensionen entwickelnde Introduktion der „Fünften“ war ein besonderer musikalischer Genuss und ließ auf Großes hoffen, dass nicht enttäuscht, sondern noch übertroffen wurde. Thielemann hatte eine grandiose Konzeption, bei der die Kapelle im wahrsten Sinne des Wortes mitspielte. Die großartigen solistischen Einzelleistungen, wie die feinen Pizzicati der Kontrabässe, der getragene Streicherchoral, die einheitlichen 1. und 2. Geigen, die großartige Bläserfanfare mit wunderbarer Tuba und Posaune, das saubere und auffallend klangschöne Horn, die in erlesener Schönheit klagende Oboe und die Klarinette, überhaupt die sehr sauberen Bläser, die bei der Kapelle schon selbstverständlich sind (das weiß zu schätzen, wer gelegentlich andere Orchester hört) fügten sich in eine äußerst homogene Gesamtleistung ein. Selbst im Fortissimo des Klangrausches Brucknerscher Euphorie mit schmetterndem Blech und Paukenwirbel blieben Klarheit und Durchsichtigkeit gewahrt. Ein Sonderlob gebührt hierbei der Pauke, die sich nicht „verselbständigte“ (wie jetzt oft bei vielen Orchestern zu beobachten ist), sondern immer, die markanten Situationen unterstreichend, unmissverständlich wahrgenommen wurde, auch bei äußerster Ausdrucks- und Lautstärke immer noch „Musik“ blieb, sich immer wunderbar in den Gesamtklang einfügte und umso ausdrucksstärker die genau richtigen „Glanzlichter“ setzte.

Thielemann spürte mit dem Orchester Bruckners Intentionen nach, legte sehr viel Wert auf die leisen, getragenen, sensiblen Passagen, die die Musiker sehr fein ausmusizierten, aber auch auf Expressivität in Bruckners pantheistischer Euphorie. Das Ende des 3. Satz ließ den Atem stocken. Der 4. Satz begann wieder sehr verhalten, leise, kaum hörbar und entwickelte sich wie aus verklärtem Nebel zu einer besonderen Naturstimmung, als wollte das Orchester den Geheimnissen der Natur nachspüren. Thielemann verstand es, die Intentionen und Fähigkeiten des Orchesters „herauszulocken“ und zu einem genialen Ganzen zu koordinieren, um die Symphonie in ihrer geistig-emotionalen Tiefe auszuloten.

Kleine, gezielte, ausdrucksverstärkende Pausen – eine Freiheit, die sich alle bedeutenden Dirigenten nahmen – setzten kleine Zäsuren und unterstrichen den Charakter dieser Aufführung. Thielemann hatte alles im Griff und im Gehör und reagierte auch spontan, um in einer gewaltigen Steigerung alles zu einem großartigen, geschlossenen Ganzen bis zur überaus glanzvollen Apotheose des Blechbläserchorals und einem monumentalen Schluss zu verbinden. Es war eines seiner großartigen Dirigate, bei denen ihm die Kapelle mit großartigen Leistungen folgte, eine echte Gemeinschaftsleistung von Dirigent und Kapelle, bei der beide Seiten ihr Bestes gaben.

Stille und langes Schweigen am Ende bis die Bravos losbrachen, war der schönste Dank des Publikums.

Zwischen den Symphoniekonzerten in der Semperoper gehen Thielemann und die Staatskapelle auf eine kurze Gastspielreise nach Köln (Philharmonie), Braunschweig (Staatstheater) und zum Lucerne Festival (2 Auftritte) – mit viel Wagner, aber auch Henze.

Ingrid Gerk

Quelle:www.der-neue-merker.eu


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