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HEIDENHEIM/ Opernfestspiele: TURANDOT – “Trügerischer Märchenzauber”.

27.07.2013

Opernfestspiele Heidenheim 2013: „TURANDOT“ 27.7.2013 (Premiere 5.7.) - Trügerischer Märchenzauber

Von: Udo Klebes

Im 49. Jahr ihres Bestehens begann für die stimmungsvollen Opernfestspiele in der Schlossruine Hellenstein eine neue
musikalische Aera. Deren Leitung war zwar schon vor ein paar Jahren an Marcus Bosch, den derzeitigen GMD des Staatstheaters Nürnberg über gegangen, doch nun präsentierten sich erstmals die Stuttgarter Philharmoniker im
Orchestergraben. Im vokalen Repertoire durchaus nicht ganz unerfahren, war dennoch nicht zu überhören, dass der Opernbetrieb mit der erforderlichen koordinatorischen Zuspielung zum Bühnengeschehen in gewissem Maße Neuland für diese Vereinigung bedeutet. Trotz des einsatzgenauen Zusammenhalts durch den Dirigenten, der im übrigen auf große Transparenz in der üppigen Instrumentierung setzte, das Tempo in spannungsgefährdeten Momenten anzog, aber für die Träume der Minister oder Lius herzzerreissende Standhaftigkeit auch genügend poetischen Raum beließ, kam es immer wieder zu kleineren Wackelkontakten und vielleicht auch hitzebedingten Konzentrationsmängeln. Der in koloristischen Details fein empfundenen und an den Höhepunkten wirkungsvoll gesteigerten Wiedergabe konnte dies indes nichts anhaben.

Diesbezüglich waren auch die Stuttgarter Choristen in der Einstudierung von Tarmo Vaask eine zuverlässige Komponente, besonders die Herren gaben den machtvollen Einsätzen des chinesischen Volkes eine fundierte Basis, während die Damen für den erforderlichen Glanz und Gloria der Aktfinali die Strahlkraft mitbrachten.

Nicht auf erstklassigem, aber insgesamt gutem Niveau bewegten sich die Solisten. Die Krone gebührt nicht der eiskalten
Prinzessin, sondern der opferbereiten Liu. Michaela Maria Mayer sicherte ihr mit passend schlichter Darstellung und inniger vokaler Gestaltung den größten Publikumszuspruch. Natürlich auch aufgrund ihrer dankbaren Partie, aber ganz  bestimmt auch für ihren nicht allzu großen, aber durch Puccinis lange Bögen leicht geführten und in den Höhen gut tragenden Sopran. Aufhorchen ließ auch Woong-jo Choi als Timur mit  in allen Lagen zentriert sitzendem
Bassbariton, der sowohl fein abschattieren als auch erschütternd ausbrechen kann, begleitet von rollengemäss unprätentiösem Spiel.

Rachael Tovey im pastellfarbenen Kleid und Diadem erweckte im Auftrittsmonolog bei teilweise nur kurz angetippten Fortespitzen noch den Eindruck von Kurzatmigkeit, gewann dann aber zunehmend an Sicherheit und damit vermehrter Expression ihrer Haltung. Später wich dann der passend klirre Stimmklang einer mit ihrem Liebeserwachen verbundenen Fähigkeit zu sensibleren, ja gar berührenden Tönen.

Ein Kalaf genießt beim Publikum einen besonderen Bonus, wenn er sich in „Nessun dorma“ sieghaft behauptet. Das tat auch Luis Chapa, unterstützt von einer sympathisch großspurigen Spielastik, mit der er sich über alle Warnungen bezüglich der zu lösenden Rätsel hinweg setzt. Anfangs fällt es noch etwas schwer, dem etwas schmal und bisweilen eng eingesetzten Tenor die im weiteren Verlauf erforderlichen heldischen Attacken inklusive einer strahlenden Höhe zuzutrauen, aber der inzwischen auch Wagner-Partien singende Mexikaner beweist, dass auch mit eher durchschnittlichem Material und einem gewöhnungsbedürftigen Timbre Ungeahntes erzielt werden kann.

Die drei Minister Timothy Sharp (Ping), Christoph Wittmann (Pang) und Andrés Felipe Orozco (Pong) bewegten sich vokal auf einer Linie und profitierten als grotesk profilierte Gestalten am meisten von der Inszenierung, von der später noch die Rede sein wird. Jens Krogsgaard zeichnet den Kaiser Altoum als ein menschlich naher Monarch, der abdanken möchte und nur noch auf baldigen Frieden hofft, mit passend abgeklärten Charaktertenor-Tönen. Felix Rathgeber gab den Ankündigungen des Mandarin ordentliches baritonales Gewicht.

Detlev Beaujean hat vor die Schlossmauer-Rückwand eine Kaiserloge in rot und goldenem Dach mit Drachenmotiv, in der Turandot erscheint, sowie links und rechts davon rot-blaue Podeste für das Volk bauen lassen. Deren enger Spielraum ist einerseits der breiten, aber wenig tiefen Bühne geschuldet, entspricht aber auch der Zucht, mit der Massen bei öffentlichen Anlässen in einem kommunistischen Staat wie China gehalten werden, hier von schwarz gekleideten Wachen mit langen Holzstecken, deren einer sich Liu später selbstmörderisch in den Bauch rammt. Mit ihren weiß geschminkten Gesichtern, schwarzen Kopf-Bedeckungen und roten Krawatten sowie schwarzen Hosen wirken sie fernöstlich unnahbar und vor allem anonym. Am Beginn und vor der schlaflosen Nacht erhält es aus den beiden aufgestellten Lautsprecher-Masten in deutscher Sprache Hinweise auf die kaiserlichen Verordnungen.

Irina Bartels Kostüme bedienen sowohl die Märchenhistorie (Turandot, Altoum, die Minister) als auch eine stillose Gegenwart (die Tataren). Die Personenregie von Michael Helle ist auf Wesentliches zwischen den Personen konzentriert, verzichtet auch räumlich bedingt auf unnötige Geschäftigkeit und setzt dafür mehr auf Zwischenmenschliches. Davon profitiert der kurze Dialog zwischen Altoum und Kalaf, aber auch die Stellung der drei Minister. Deren groteske Situation zwischen hoher Stellung und Unfähigkeit ist, wie selten gesehen, differenziert und der Gozzi-Vorlage entsprechend aus der Commedia dell’arte kommend herausgearbeitet. Die Mischung aus Bösartigkeit und Witz lässt ihre große, leicht langwierig werdende Szene als kurzweilig bizarres Vergnügen erleben. Stehen sie doch in der Pflicht des Henkers ihm Opfer zu bringen, die an Turandots Rätseln gescheitert sind. Dieser Henker wird als glatzköpfiger Ringer-Typ gezeigt, der sich zur erfolgreichen Verrichtung seines Amtes mit dem Blut von den Opfer-Familien getöteten Hähnen einschmiert.   

So stehen sich in dieser Inszenierung ferne Traditionen und neuzeitliche Ansätze gegenüber, ohne einen aufdringlichen oder pathetischen Beigeschmack zu erhalten.

Die Atmosphäre einer fast tropisch warmen Nacht erhöhte wohl noch zusätzlich die Stimmung und ließ die Besucher in den ausverkauften Reihen jubeln und trampeln.

Zum 50Jahr-Jubiläum 2014 sind die unzertrennlichen Einakter „Cavalleria rusticana“ und „I Pagliacci“ angekündigt.                                                                                             

Quelle: www.der-neue-merker.eu


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