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LINZ: DIE ZAUBERFLÖTE. Premiere

14.09.2013

LINZ/ Musikzheater: DIE ZAUBERFLÖTE. Premiere am 14.6.2013

Von: H & P Huber

Wenn man mit einer der meistgespielten Opern punkten will, muß man schon sehr viel Phantasie, dramaturgisches Können, musikalischen Verstand und somit generell Hirnschmalz bemühen, soll eine runde, künstlerisch glaubwürdige und dazu dann noch originelle Sache herauskommen; leider gibt es aus den letzten Jahren genug Beispiele (durchaus von prominenten Theatern oder Festspielen) dafür, wie dieses Unternehmen schief gehen kann. Wohl gehört auch sowas wie Glück oder die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort dazu – in diesem Falle war es ein Gastdirigat das Linzer Musikchefs Dennis Russell Davies 2011 in Japan, das zu den „richtigen“ Kontakten führte; und so konnte ein Mann für eine Arbeit am Landestheater Linz gewonnen werden, der schon eine beachtliche Reihe von Inszenierungen an ersten Bühnen in Japan und den USA geschaffen hat: Amon Miyamoto (Mitarbeit Tomo Sugao). Dazu fand sich mit Boris Kudlička (Bühne), Masatomo Ota (Kostüme), Bartek Macias (Video), Marc Heinz (Lichtdesign) ein Produktionsteam aus Japan, Polen, CSR und Österreich zusammen, das ein Werk mit dem Anspruch einer „Zauberflöte für das dritte Jahrtausend”, durchaus auch im Sinne einer „ars electronica“ schuf.

Wie aber bringt man diese klassische Märchenoper mit aufklärerischem und humanistischem Anspruch mit der heutigen Zeit zusammen? Wie schon geschrieben: das geht oft schief… Man kann es machen wie Ingmar Bergman in seiner wunderbaren Verfilmung, kann damit aber freilich letzteren Anspruch nicht erfüllen. Also: Rahmenhandlung. Also: es wird wieder einmal die Ouverture strapaziert. Allerdings hier relativ schlüssig. Nämlich: eine eher bescheidene Wohnung; Großvater (nachmals: Sprecher) bringt seinen drei Enkeln ein Videospiel mit moralischem Anspruch mit. Kaum ist dies in Gang gesetzt, kommt der betrunkene Vater (später: Tamino) heim – er ist gerade gefeuert worden und läßt seinen Frust an der Familie aus, bis es seiner Gattin (Pamina) reicht und sie ihren Koffer packt. Großvater kann auch nichts kitten, die Kinder verkriechen sich in ein Eck, der torkelnde Vater fällt durch die Leinwand, auf die das Spiel projiziert wird… und landet in einer elektronischen Traumwelt. Das alles läuft in einer recht exakt auf die Musik abgestimmten Pantomime ab, zum Teil auf einer etwas über den Orchestergraben reichenden Plattform; sie stellt beachtliche Anforderungen an Trittsicherheit und allgemeine Körperbeherrschung, bei all dem Wirbel, der da in den ersten Minuten der Vorstellung abläuft.

Mit dem Ende der Ouverture verschwindet die Wohnungskulisse und macht einem offenen Würfel platz, auf den hinfort eine unglaubliche Vielfalt unterschiedlichster Bilder projiziert wird, dessen Wände aber auch vielfältig (vertikal) feldweise zu verschieben sind, auch werden immer wieder Fenster in diesen Wänden geöffnet. Beachtlich, welche Präzisionsarbeit die Bühnenwerkstätten damit geleistet haben, denn dieses einigermaßen komplizierte Werkl funktioniert klag- und auch großteils geräuschlos. An sonstigen Bühnenaufbauten gibt es wenig, es wird auch die große Breite der neuen Musiktheaterbühne nicht völlig ausgenutzt.

Das erste Bild erinnert noch an die primitiven Zeiten eines „Tron“ (1982), als sich die aus finiten Elementen zuammengepixelte Schlange über die Projektionsflächen windet und den stimmlich sehr gut disponierten, für Mozart stilsicher lyrischen Tamino Iurie Ciobanus (der in die second world gefallenen Vater) zu verschlingen droht. Die nur optisch und in ihrem Spiel schrillen (z. B. neonfarbige Turmfrisuren, äußerst nahrhafte Brüste – man denke an die Rocky Horror Show, Fernando Botero und Manga Comics als Einflüsse), stimmlich aber ebenfalls perfekt kontrollierten Drei Damen (Brit-Tone Müllertz, Martha Hirschmann, Bernadett Fodor) erledigen die Schlange folgerichtig elektronisch und balgen sich entzückend niederträchtig um den Bewußtlosen.

Auftritt Papageno: buchstäblich bunter Hund, vielleicht ein harmloserer Cousin des Liliom – die Vögel, mit denen er handelt (oder eher: gerne handeln würde, und anbandeln sowieso) haben zwar auch zwei Beine, aber im Gegensatz zu den Nachfahren der Dinosaurier ihre Federn nicht an Flügeln, sondern höchstens an einer Boa appliziert. Und da wundert er sich, daß ihn manche „Strizzi“ nennen… (die gesprochenen Texte wurden da und dort, behutsam und jedenfalls intelligent und humorvoll, abgeändert; Dramaturgie: Wolfgang Haendeler). Dem jungen, sportlich-beweglichen, darstellerisch intensiven und facettenreichen (von Marcel Marceau bis klassischem Wiener Vorstadtkasperl) und mit einem leuchtenden Bariton überzeugenden Martin Achrainer gehört an diesem Abend das Theater, wann immer er auf der Bühne ist. Wächst da ein zweiter Adrian Eröd heran?

Inzwischen hat sich das Szenario zu einem Comic-Hintergrund im Manga-Stil gewandelt. Die sternflammende Königin erscheint in einer Aufmachung, die Anklänge an Nō-Theater und Samurai-Rüstungen, mit einem Hauch Domina, aufweist (oder aus Takeshi’s Castle stammen könnte ); auch hier wieder „viel Holz vor der Hütt’n“ als hervorstechendes Merkmal der mütterlichen Welt. Mari Moriya macht ihr „Erzittre nicht“ mit wunderschöner Stimme und perfekt mit dem Orchester abgestimmter Agogik zu einer dramatischen und tief bewegenden Erzählung, saubere und präzise Koloraturen eingeschlossen.

Die drei Knaben (Solisten der St. Florianer Sängerknaben, sauber intonierend und mit talentierter Bühnenpräsenz) – es handelt sich um die selben, die im Vorspiel das videogame, in dem wir uns jetzt befinden, geschenkt bekamen – sind nun mit Flügerln ausgestattet und übernehmen so ihre bekannten Führungs- und Obsorgeaufgaben; nur spät, in der schwierigen Situation mit der suizidalen Pamina, werden sie behutsam von ihrem Opa/Sprecher unterstützt und geleitet.

Monostatos (Matthäus Schmidlechner, perfekt bei Stimme und als Schauspieler) steht einer Gruppe von rußigen, im Untergrund Arbeitenden vor, die sich aber ihrerseits eine noch niedrigere Gruppe von Bonobo-artigen Affen hält; letztere allerdings lösen nach den Verwerfungen durch Monostatos‘ Übergriffe die Untergrundarbeiter als dienstbare Geister der Priesterwelt ab – vielleicht manchmal ein bisserl ungeschickter, aber sicher fröhlicher bei der Arbeit als die ursprünglichen Leute.

Sehr gut gelungen das Duett Papageno/Pamina; Myung Joo Lee ist in dieser Rolle erstklassig, kann tiefe Emotionen hör- und sichtbar machen, ihre Stimme ist sanft und tragfähig. Auch das „nur geschwinde“ funktioniert mit diesen beiden sehr gut, allerdings hätten wir uns hier einen Hauch mehr Tempo seitens des Dirigenten erwartet.

Nobel und ehrwürdig an Erscheinung und Stimme der Sprecher (Michael Wagner), ebenso der Sarastro Dominik Nekels, der in der tiefsten Tiefe vielleicht noch ein bißchen mehr Druck entwickeln könnte, ansonsten aber von Phrasierung, Timbre und Darstellung nicht den geringsten Wunsch offenläßt. Übrigens muß hier auch festgehalten werden, dass ausnahmslos alle Sängerinnen und Sänger (auch der Chor!) durch erstklassige Sprachdeutlichkeit glänzen, ohne deshalb bei der Musikalität Kompromisse einzugehen.

Sind die Protagonistinnen im Umkreis der Königin wie erwähnt etwas, hm, bitte um Verzeihung, mopslastig, so hat das Gestaltungsteam, das mit Ironie offensichtlich gut umzugehen weiß, den Priestern ein etwas überbordendes Gehirn spendiert, das die Herren folgerichtig „außen“ sichtbar tragen; auch hier gibt es Vorbilder aus der Filmgeschichte (z. B. „Mars attacks“), die mit Witz und Augenmaß genutzt wurden.

Die Projektionen werden graduell naturalistischer – Steinfassaden, Säulenhallen, dahinter Sternenhimmel – anscheinend dachten die Gestalter bei ihrem Design an die im Laufe der Entwicklung der Computerleistungen zunehmende Natürlichkeit und Komplexität der screenplays. Als die Königin der Nacht ein zweites Mal auftritt, sind wir bei einem sich verfinsternden Mond und wüsten Gewitterwolken mit heftigen Blitzen angelangt. Frau Moriya läßt sich aber auch durch diesen aufregenden Hintergrund nicht die Schau stehlen und dominiert mit ihrer Stimme und ihrer Erscheinung die Szenerie. Eine köstliche Idee auch, wie man hier die Königin und die Damen auf- bzw. ab…treten läßt, aber das sollte man am besten selbst herausfinden!

Die beiden Geharnischten sind sozusagen in ICs gehüllt, sind also vielleicht besser hier als „die beiden Integrierten“ zu bezeichnen (mitunter etwas forciert: Pedro Velázquez Díaz; Nikolai Galkin kontrolliert und präzise).

Fehlt unter den Gesangsrollen natürlich noch die Papagena: Elisabeth Breuer steht in ihren wenigen Auftritten ganz hervorragend ihre Frau als komödiantisch und sängerisch gleichwertiges Gegenüber von Achrainers Papageno; ganz entzückend auch das Quasi-Ballett mit den drei Knaben bei der Kinderaufzählung (nun vor dem schon fast völlig natürlichen Hintergrund eines blühenden Kirschgartens).

Die Sprechrollen von Erstem und Zweitem Priester wurden von Claus Durstewitz und Franz Binder sehr gut und fürs Publikum sehr unterhaltsam, in ihrer Verzweiflung und schließlich Resignation über den disziplinlosen Papageno, abgedeckt.

Um die Geschichte logisch zu Ende zu bringen, wird im Finale das Theater freilich nicht „zur Sonne“, sondern wieder zum bescheidenen Wohnzimmer des Ausgangsbildes: die Familie hat durch den traum-haften Aufenthalt in der computerisierten Märchenwelt wieder zueinander gefunden, man hat an Respekt und Liebe zueinander gewonnen.

Die musikalische Basis für diese großartigen Solisten wurde gelegt von Bruckner Orchester Linz und Chor und Herren des Extrachors des Landestheaters; ferner waren Tänzerinnen und Tänzer der Anton Bruckner Privatuniversität, Linz, auf der Bühne. Chorleitung: Georg Leopold, Leitung Extrachor: Martin Zeller, Leitung St. Florianer Sängerknaben: Franz Farnberger, Leitung Kinder- und Jugendchor: Ursula Wincor.

Orchester und Chor musizierten in höchster Präzision und mit perfekter Abstimmung von Lautstärke wie Rhythmik und Einsätzen mit der Bühne; Dennis Russel Davies hat hier zusammen mit Amon Miyamoto und seinem team eine musikalisch wie szenisch prachtvolle Produktion in die Wege geleitet, einstudiert und zum Premierenerfolg gebracht, die keinen wie immer gearteten Vergleich zu scheuen braucht – und die, als Koproduktion, auch noch in Japan ihren Weg machen wird!

Begeisterter und langer Applaus, für Sänger wie Dirigent & Orchester wie auch, ganz einhellig, für das leading team.

Quelle: www.der-neue-merker.eu


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