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SALZBURG: KONZERT WIENER PHILHARMONIKER/ THIELEMANN

12.09.2013

SALZBURG/ Festspiele: WIENER PHILHARMONIKER, CHISTIAN THIELEMANN am 11.8. 2013

Von: Werner Häußner

 Einhellige Ovationen. Jedes Mal, wenn er sich dem Publikum zuwendet, schwellen die Bravo-Rufe zum Jubelmeer an. Christian Thielemann, mit rotem Kopf und schweißgebadet, nimmt die Huldigung entgegen. Er dürfte sich bewusst sein: Keiner steht heute so wie er in einer Tradition, in der er selbst sich mit stets leicht anzüglich wirkender Bescheidenheit „Kapellmeister“ nennt. Deutscher Kapellmeister, selbstverständlich. Genau der richtige Mann für Anton Bruckner – so scheint sich das Publikum ziemlich einig zu sein, hört man den einhellig brausenden Sturm, den Bruckners Fünfte im Großen Festspielhaus in Salzburg hervorgerufen hat.

Und in der Tat: Vieles war rühmenswert an diesem Konzert-Doppel am Wochenende. Thielemann hatte ja auch die schönste Lyra
in der Hand, die ein gnädiger Gott einem Musiker schenken kann: die Wiener Philharmoniker mit ihrer nach wie vor unvergleichlichen Streicher-Subtilität, mit den Violingruppen, die wie ein einziges Instrument klingen, mit ungemein weich intonierenden, ungemein genau hinhörenden, nie vorlaut drängelnden Blechbläsern. Und mit einem plastisch atmenden Klang, der im kaum hörbaren Pianissimo so räumlich trägt wie im kantenlosen, herrlich vollen, weiten Fortissimo.

Keine Frage: Thielemann hat auch die weiträumigen formalen Beziehungen im Blick, die Bruckner in dieser Symphonie souverän über alle vier Sätze ausspinnt. Das erste der Motive lässt er kaum hörbar im Pizzicato der Bässe erscheinen, materialisiert es mehr und mehr, als koste er den „Rheingold“-Beginn aus. Die Statik der gerühmten Bruckner-Choralmotive setzen die Blechbläser hin. Klug mäßigt Thielemann den Aufstieg zu den Gipfeln der Dynamik; er weiß sehr gut, was enthusiasmierte Bruckner-Dirigenten in der Provinz gerne vergessen: Wer bei Bruckner gleich in Fortissimo-Grandeur badet, hat später nichts mehr zuzusetzen, um dynamische Spannung zu erzeugen.

Bei den Wienern klingt dieser erste Gipfel groß und füllig, aber nicht laut. Die strahlende Exaltation behalten sie dem Finale vor, jenem kompositorischen Wundersatz mit seinem Beethoven überwinden wollenden Fugato, den der Bearbeiter Franz Schalk am radikalsten zusammengestrichen hatte. In Salzburg war die Bruckner-Originalversion zu hören, in vollen gut achtzig Minuten – ein Erlebnis, das dem skrupulösen Komponist erst „beim lieben Gott“ zuteil geworden sein mag. Auf Erden hat er sein „Kind“ nie hören dürfen. Die Keimzelle der Fuge bildet ein Klarinettenmotiv, das an seinem Platz als Scharnier zwischen Klang- und Motivblöcken ein wenig kurios wirkt, dann aber eine unglaubliche formale Energie entwickelt.

So könnte man meinen, Thielemann sei Bruckner nichts schuldig geblieben. Wer einen schlank-süffigen Klang auf höchstem spielerischen Niveau, formale Klarheit, breit gespreizte Dynamik und nahezu perfekte Politur in der Balance und Gewichtung der Orchestergruppen schätzt, ist in der Tat voll auf seine Kosten gekommen. Aber Bruckner will denn doch wohl mehr als diesen Triumph des Ästhetizismus. Man muss nicht das schwer fassbare „Religiöse“ seiner Werke ins Feld führen, um kritisch anzumerken: Die Thielemann-Welt der Fünften kennt keine Schründe, keine Brüche, keine Abgründe.

Die Gräben zwischen den Abbrüchen, die Pausen, in denen die Musik Atem holt für den nächsten Sprung, sind fein überbrückt, so
dass niemand hinunterschauen muss. Thielemann poliert die Übergänge wahrhaft meisterlich, aber er wienert die Bedeutung weg. Er reißt nichts auf, er stopft aus mit dem Brokat seines Klangs. Er verhüllt mit der fließenden Seide seiner Legati. Er bekleidet alles, was irritieren könnte, mit dem dunklen Samt der wohlig ausgeformten Phrasierung. Um es mit einer Analogie aus der bildenden
Kunst zu sagen: Thielemann neigt eher zu Hans Makart als zu Gustav Klimt.

Quelle: www.der-neue-merker.eu


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