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VERONA/Arena: Finale mit AIDA/ ROMEO ET JULIETTE/ NABUCCO/ RIGOLETTO

05.09.2013

Verona: Ausklang der Jubiläums-Saison 2013 der Arena di Verona und festlicher Abschluß mit der historischen „Rievocacione edizione Aida 1913“.

Von: Norbert A. Weinberger / Eduard Paul

Das „Festival del Centenario 1913-2013“ vom 14.6. bis 8.9. stand programmatisch total unter dem Verdi-Aspekt und dessen 200. Geburtstag, vom frühen „Nabucco“ bis zur populärsten Trias „Rigoletto“/“Il Trovatore“/“La Traviata“, weiters die „Missa da Requiem“, dazu flankiert von den Highlights, wie Gala Domingo-Harding, Gala Domingo-Operalia sowie der Gala Verdi. Im finalen Kehraus am 5., 6., 7., und 8. September gab es „Nabucco“, „Rigoletto“, Gounods „Roméo et Juliette“, und als Schlußpunkt die szenisch akkurate Wiederbelebung von „Aida“, der einstigen Eröffungs-Vorstellung am 10. August vor 100 Jahren. – Parallel dazu gab es die Aida-Neuproduktion der „Fura dels Baus“.

“Aida”

Regisseur Gianfranco de Bosio brachte 1982 das Kunststück zustande, die ausgezeichnet dokumentierte theaterhistorische Aufführungspraxis von 1913 wieder mit szenischem Leben zu erfüllen, ohne Cecil B. de Mille-Hollywood-Spektakel, wie einst waren nun Chor- und Statisten-Heere effektvoll formiert von unten bis zur höchsten Arena-Höhe und die vielfarbigen Kostüme erstrahlten. Protagonisten waren in blendendes Weiß gewandet und leichter zu verorten inmitten der Riesenbühne und ihrer ägyptisierenden Säulen, Tore- und riesigen Dekorations-Versatzstücke. Eindrucksvoll der zeremonielle Triumph-Akt, gottlob jenseits von Disneyland-Chic. Als die schmetternden Aida-Trompeten an der Rampe erschallten, gab es vor lauter Begeisterung Sonder-Applaus.

Mit solch überwältigender Optik nicht so ganz mithalten konnten manche der Hauptpersonen, so Stuart Neill als Radamés, einem tönenden Memnons-Koloss in altägyptischer Figura nahe kommend, sein flexibler Stentor-Tenor meistert die Tücken dieser schwierigen Partie erstaunlich gut und und war besonders im Schlußduett um Ausdruck bemüht. Seine “Celeste Aida“ Amarilli Nizza, schlank und hoch gewachsen, hat die äthiopische Königstochter seit über einem Dutzend Jahren in ihrem Repertoire, davon allein laufend in der Arena di Verona ab 2005. Sie enttäuschte stimmlich, ihr spröd klingender Sopran hat Stimmbrüche, hörbare Registerwechsel und wird teilweise unter Druck eingesetzt.

Die junge Serbin Sanja Anastasia als Amneris absolvierte ihre Gesangsstudien u.a. in Wien – (sie erinnerte etwas an die einstige sehr beliebte Biserka Cvejic), sie punktete mit ihrem apartem slawischen Timbre und durch Totaleinsatz in der Gerichts-Szene, wo sie die ganze Bandbreite ihres erstaunlich großen Stimmvolumens vorführte. Überraschend der König des sichtlich jungen Sergej Artamanov, der mit einem samtig-dunklen, geschmeidigen Baß aufwarten kann und sich vielversprechend für seine Zukunft anhört. Franco Vasallo, als Amonasro, der sich an der Wiener Staatsoper noch in den Neunziger-Jahren als Belcanto-Bariton für Donizetti und Bellini vorgestellt hatte, ist nun einer der führenden italienischen Baritone im großen dramatischen Fach. Sichtlich vertraut mit dieser Partie und den Dimensionen der Arena-Bühne, setzte er die stimmlichen Höhepunkte gezielt ein. Marco Spottis Ramphis, von schlanker Gestalt und bereits häufiger Arena-Gast, überzeugte mit schlankem, gut fokussiertem noblen Baßklang.

Und über allem steht als ein wirklicher Feldherr der Orchester- und Chormassen in der Arena di Verona, Maestro Daniel Oren, der es nun schon seit vielen Jahrzehnten versteht wie kein zweiter, die Vorteile ebenso wie die akustischen Probleme des größten Freiluft-Operntheaters der Welt zu kennen und zu beherrschen und einen machtvollen und vor allem differenzierten Verdi-Klang hervorzubringen.

„Roméo et Juliette“

Die dieser „Aida“ vorangegangenen Auführungen – (nun hier durchaus in wertender Reihenfolge nacheinander!) – hatten zum Teil besondere Meriten, so diese Gounod-Oper, als Hommage an die Stadt und das berühmte Liebespaar, 1977 kam sie erstmals italienisch und im frz. Original 2011 und 2012 auf den Spielplan. Regisseur Francesco Micheli hat mit seinem Grundmodell, einem sich öffnenden 3-stöckigen luftigen Rundbau aus roten hölzernen Gestängen (Szene: Edoardo Sanchi; Kostüme: Silvia Aymonino) für blitzschnelle Verwandlungen der vielen Schauplätze gesorgt, bevölkert diese turbulent mit Volk oder den Hauptpersonen und bezieht Effekte bis zu den höchsten Arena-Stufen mit ein (überwältigend das Lighting Design: Paolo Mazzon). Das Ergebnis – eine Frischzellenkur voll überschäumender Phantasie mit Revue-Anklängen, lassen das parfümierte Werk streckenweise wie ein Musical oder gar eine Offenbach-Operette erscheinen.

Das Liebespaar: Marina Rebeka, in Wien bereits bekannt als Giovanni/Donna Anna und jetzt im September 2013 als erfolgreiche Traviata/Violetta-Einspringerin – war schon optisch durch ihre zarte „mädchenhafte“ Figur eine glaubhafte Julia. Ihr hochgelagerter, schlanker, flexibler Sopran war ideal für diese nicht einfache Partie. Schade, dass ihr Timbre keine spezifische Farbe aufweist. Stefano Secco, schon figürlich ein etwas „reifer“ Jüngling Roméo, scheint auch stimmlich der Partie entwachsen zu sein, das bezeugten seine anfangs gestemmten Höhen. Im Verlauf des Abends wurde er besser und passte sich der französischen Gesangslinie an. Den finsteren Tybalt gab Paolo Antognietti, Michael Bachtadze als Mercutio überzeugte mit einem sinnlich klangvollen Kavalierbariton. Als Stéphano ließ Nino Surguladze mit vollem, fast dunklem Mezzotimbre aufhorchen.

Maestro Marko Letonja, bekannt aus Basel und durch seine Dirigate in Lissabon (dort hauptsächlich mit Wagner) war ein umsichtiger Gestalter und sichtlich bemüht in Richtung französischen Orchesterklang und diesen den Arena-Dimensionen anzupassen.

„Nabucco“

Das touristische Verona-Publikum geht primär in Vorstellungen von Werken, die es kennt, so auch in„Nabucco“, wegen des Gefangenen-Chores und erwartet diesen begierig. Zuvor gibt es gewaltige gesangliche Hürden zu nehmen, die zu Verdis größten stimmlichen Herausforderungen zählen, wie die hybride dramatische Sopranpartie der Königstochter

Abigaille.Tiziana Caruso wirft sich couragiert in diese Aufgabe, die hochgewachsene, schlanke Dame war vom Typ her eine ideale Verkörperung für die herrschsüchtige mit allen Mitteln um die Staatsführung kämpfende Intrigantin. Die Spitzentöne und die fast irren Intervallsprünge wurden erstaunlich gut gemeistert, leider waren in der Mittellage ihres etwas harten und spröden Sopranes Intonationstrübungen nicht zu überhören. Marco Vratogna gibt den babylonischen König, und ist einer der im Fach nachgewachsenen italienischen Baritone, er bemühte sich mit sinnlich-sonoren Timbre, an die grossen Vorbilder dieser Partie wie u.a. Gobbi, Bruson, Nucci heranzukommen, was ihm nur teilweise gelang. Rossana Rinaldi als Fenena, ist sichtlich noch sehr jung und überzeugte stimmlich mehr als darstellerisch. Der Zaccaria von Konstantin Gorny, vom Staatstheater Karlsruhe bekannt, war mit dieser Partie heillos überfordert. Weder an Stimme noch an Persönlichkeit war er den Arena-Dimensionen gewachsen, somit eigentlich ein Totalausfall. Cristian Ricci , ein junger Sänger für Ismaele, hatte für diesen, zugegeben von Verdi nicht gerade attraktiv komponiert, eine zu kleine Stimme, enge, gepresste Höhen ergaben keinen positiven Eindruck.

Unter der Regie von Altmeister Gianfranco de Bosio gelingt es dem Ausstatter Rinaldi Olivieri die massiv erscheinenden Tor- und Türme-Aufbauten von goldfarbenem Wüstensand-Charakter einfach umzudrehen und so rasch in dräuende graue Mauern zu verwandeln. An einem babylonischen Turm á la Breughel den Tempel-Einsturz durchzuführen, stellte einen effektvoller Theater-Coup dar. Julian Kovatchev, der Maestro, war ein mehr routinierter Sachwalter als differenzierter Musikchef.

„Rigoletto“

Die Regie von Ivo Guerra mit der Ausstattung von Raffaele Del Savio hat mit übertriebenem Kulissen-Naturalismus übers Ziel geschossen. Schon das eröffnende Vorspiel zum Fest ist mit Ballett-Gehüpfe von Tritonen und Nereiden bebildert und der mächtige Palazzo ducale von Mantua, auf Arena-Höhe im Vollbau aufgestellt, wird später langwierig an die Rampe zur Schenke Sparafuciles hin verschoben – ein endloser Umbau vor dem doch knappen konzisen Final-Akt.

Il Duca Gianluca Terranova begann mit angestrengter, nasaler Tongebung und verengter Höhe sichtlich aus „Angst“ vor den Arena-Dimensionen, welche ihn zum Forcieren seiner mittelgrossen Tenorstimme verleitete. In Akt 2 bei “Ella mi fu rapita“ und Akt 3 bei „la donna é mobile“ besserte sich seine Tongebung (wir würden sagen – er hat sich d’erfangen!). Rigoletto Ivan Inverardi – die Erstbegegnung mit ihm in derselben Partie war bereits vor 3 Jahren in Klagenfurt in der Ära Köpplinger – formte mit seiner grossen, fast wuchtigen Baritonstimme einen imposanten, Mitleid erregenden Charakter. Gilda Natalia Roma verfällt wie die meisten Sopranistinnen, die vom leichten Soubrettenfach kommen, ins Forcieren, wodurch ein unschöner, scharfer, klirrender, harter Klang (besonders in der Mittellage) entsteht – die extremen Höhen jedoch gelangen ihr gut. Sparafucile, Paolo Battaglia überzeugte mit einer auffallend kräftigen Baßstimme von charakteristischer Farbe, die zum fiesen Charakter dieser Partie passend war. Maddalena, Anna Malavasi war mehr „Carmen“ als „Freudenmädchen“ – jedoch lies ihr runder, dunkler Mezzo aufhorchen.

Monterone Abramo Rosalen meisterte seine beiden Auftritte mit dem Rachefluch zufriedenstellend. Riccardo Frizza, bekannt u.a. von Aufführungen in Macerata und im Theater an der Wien, war sichtlich bemüht, diesem Meisterwerk am Pult gerecht zu werden.

Quelle: www.der-neue-merker.eu


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